Captain Cork: Klein, fein, badisch, rot - Nachrichten Print - WELT AM SONNTAG - Lifestyle - WELT ONLINE

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Welt am Sonntag|

Captain Cork

Drucken Bewerten Autor: Manfred Klimek| 27.11.2011

Klein, fein, badisch, rot

Manfred Klimeks Weinkolumne

Auf die Frage nach gutem Rotwein aus Deutschland hört man oft genug die Antwort: "Gibt es nicht." Das ist natürlich Schwachsinn. Menschen, die das sagen, trinken gern fette Marmeladenweine aus italienischen, französischen oder australischen Weinfabriken. Diese Säfte müssen Süße, Kraft und eine gewisse ordinäre Note haben. Dann passt's. Doch die Vorlieben ändern sich.

Populistische und dadurch populäre Rotweine gibt es auch von deutschen Winzern; vor ein paar Wochen haben wir an dieser Stelle schon Markus Schneider vorgestellt, der dem Spaß eine Brücke zur Eleganz baut.

Es braucht aber auch kleine avantgardistische Winzer, die schon aufgrund der geringen Menge des von ihnen produzierten Weins nicht groß auffallen können; Techniktüftler, die sich im Keller einsperren und jeden Prozess akribisch beobachten; Bodenspezialisten, die sich in einen Regenwurm hineindenken und auf diese Weise ihr Terroir erkunden. Von ihnen gibt es immer mehr. Und sie kreieren einen neuen deutschen Weinbau, von dem man bislang noch kaum Notiz nimmt.

Gerade eben erst haben deutsche Spätburgunder eine wichtige Verkostung in London dominiert. Sie waren nicht an der Spitze - die gehörte Frankreich und Kalifornien -, aber knapp dahinter. Deutsche Weine besetzten fast alle vorderen Ränge. Und das mit Recht, denn der Spätburgunder ist die deutsche Rotweinsorte schlechthin; er ist delikater, finessenreicher, eleganter und in Nuancen auch gewichtiger als viele der hoch gelobten und sündteuren roten Burgunder aus Frankreich.

Klar ist aber auch: Viele deutsche Spätburgunder sind immer noch schwachbrüstig und werden zur Aufbesserung fälschlicherweise in kleine Holzfässer mit intensivem Toasting gepumpt. Für diese Technik muss man ein Händchen haben. Und dieses besitzen in ganz Deutschland gerade mal 50 Winzer. Die anderen tun gut daran, Abstand von Eichenholzfässern zu nehmen.

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Auf neue Barriques verzichten Sven Enderle und Florian Moll bewusst. Zu intensiv für ihre Weine. Deshalb verwenden sie mehrfach gebrauchtes Holz. Und wenn sie ihre Spätburgunder im Holz haben, dann bleiben die auch dort, bis sie auf die Flasche kommen. Die Weine werden weder geschüttelt noch gerührt, also nicht umgelagert und umgepumpt, wie es im Weinbau sonst Methode hat. Das Duo Enderle & Moll entsagt bewusst der forcierten Kellertechnik und setzt auf die Arbeit im Weingarten. Das Terroir soll unmittelbar rüberkommen.

Enderle & Moll, das klingt wie eine Werbeagentur aus Düsseldorf, ist aber Deutschlands wohl interessantestes Rotweinprojekt der vergangenen Jahre. Die beiden recht mittellosen Winzer konnten 2007 zwei schöne Weingärten im badischen Münchweier pachten, den Kaiserstuhl im Hintergrund, hier ist Deutschland am wärmsten.

Die Reben stehen auf Muschelkalk und Buntsandstein, so sind die beiden nach ihrem Terroir benannten Spätburgunder von Enderle & Moll sehr unterschiedliche Weine geworden. Der Buntsandstein 2009 (29,90 Euro bei weinzeche.de) wird von kühlen Aromen dominiert. In dieser Lage ist der Humus knapp und die Wurzeln der Rebstöcke suchen ihre Nahrung in mineralischer Tiefe. Keine Konfitüre, dafür aber eine straffe Säure. In der Nase Minze, Johannisbeere und etwas Radiergummi. Im Mund deutlich Himbeere und Erdbeere. Der Buntsandstein von Enderle & Moll ist ein delikater und eleganter Wein.

Ganz anders der Muschelkalk 2009 (30 Euro bei haag-weinkultur.de), der von Anfang an wie ein französischer Burgunder auftritt: viel Fleisch, viel Würze, maskulin und viril. In der Nase Leder, reife Kirsche, etwas geräuchertes Fleisch und dunkle Nüsse. Im Mund dann dunkle Kirsche, nicht überreif, und neben den Kräutern auch noch leicht bittere Schokolade. Doch was wuchtig und mächtig klingt, ist am Ende so schlank und elegant wie der Wein vom Buntsandstein. Beide Weine haben nur etwa 12,5 Volumenprozent Alkohol.

Beinahe absurd ist, dass man beide Weine noch im Fachhandel kaufen kann. Vom Pinot Muschelkalk wurden nur etwas mehr als 400 Flaschen abgefüllt - lächerlich wenig. Und trotzdem ist der Wein am Markt erhältlich. Das ist zwar ein großes Glück, sagt aber auch aus, dass nur wenige Weintrinker nach Raritäten suchen. Und dass deutscher Rotwein im eigenen Lande wohl wenig zählt.


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